Babys ab einem Alter von einem Jahr können Erinnerungen bilden, wie die Ergebnisse einer heute in Science1 veröffentlichten Gehirnscanning-Studie zeigen. Die Erkenntnisse legen nahe, dass die kindliche Amnesie – die Unfähigkeit, sich an die ersten Lebensjahre zu erinnern – wahrscheinlich durch Schwierigkeiten beim Abrufen von Erinnerungen und nicht durch deren Bildung verursacht wird.
„Eine wirklich faszinierende Möglichkeit ist, dass die Erinnerungen tatsächlich im Erwachsenenalter noch vorhanden sind, wir sie aber nicht abrufen können“, sagt Tristan Yates, Mitautor der Studie und Neurowissenschaftler an der Columbia University in New York.
Das Geheimnis der Erinnerung
Trotz aller Anstrengungen können Erwachsene sich nicht an Ereignisse aus ihren frühesten Monaten oder Jahren erinnern. Doch ob dies daran liegt, dass das Hippocampus-Gebiet, das für die Speicherung solcher Erinnerungen entscheidend ist, bei Babys nicht ausreichend entwickelt ist oder ob Erwachsene diese Erinnerungen einfach nicht abrufen können, war lange Zeit eine offene Frage.
Um Licht ins Dunkel zu bringen, verwendeten Yates und ihre Kollegen funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT), um die Gehirne von 26 kleinen Kindern im Alter von 4 Monaten bis 2 Jahren zu scannen, die eine Gedächtnisaufgabe erledigten.
Das Team maß die Aktivität des Hippocampus, als die Kinder ein Bild eines neuen Gesichts, Objekts oder einer Szene für 2 Sekunden betrachteten, und als ihnen das gleiche Bild etwa eine Minute später erneut gezeigt wurde.
Die Ergebnisse zeigten, dass eine höhere Aktivität des Hippocampus beim Betrachten eines neuen Bildes mit einer längeren Betrachtungsdauer des Bildes bei der erneuten Präsentation korrelierte. Da Babys dazu neigen, mehr Zeit mit vertrauten Dingen zu verbringen, legt dieses Ergebnis nahe, dass sie sich an das Gesehene erinnern konnten.
Die Forscher registrierten die stärkste Kodierungsaktivität im hinteren Teil des Hippocampus – dem Bereich, der am stärksten mit dem Abruf von Erinnerungen bei Erwachsenen assoziiert ist.
„Was diese Studie zeigt, ist ein Beweis dafür, dass die Kodierungsfähigkeit tatsächlich existiert“, sagt Nick Turk-Browne, Mitautor der Studie und kognitiver Psychologe an der Yale University in New Haven, Connecticut.
„Obwohl wir dieses Phänomen bei allen Säuglingen in unserer Studie sahen, war das Signal bei den über 12 Monate alten Kindern stärker, was auf eine Art Entwicklungsverlauf für die Fähigkeit des Hippocampus hindeutet, individuelle Erinnerungen zu kodieren“, fügt Yates hinzu.
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Yates, T. S. et al. Science 387, 1316–1320 (2025).
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Travaglia, A., Bisaz, R., Sweet, E. S., Blitzer, R. D. & Alberini, C. M. Nature Neurosci. 19, 1225–1233 (2016).