Fliegenpilz
Synonyme: Amanita muscaria, Roter Fliegenpilz u.a.
Pharmazeutische Droge: Amanita muscaria
Handelsnamen: Muscarsan®, Spascupreel® u.a.
Englisch: amanita muscaria, fly amanita, fly agaric
Inhaltsverzeichnis
1 Definition
Der Fliegenpilz ist ein Giftpilz aus der Familie der Amanitaceae und gehört zur Gattung der Wulstlinge. Die im Fliegenpilz enthaltenen Wirkstoffe werden in der Medizin als Naturheilmittel eingesetzt.
2 Aussehen
Der Fliegenpilz besitzt eine charakteristische rote Kappe von 5-20 cm Durchmesser mit weißen Flocken, sowie einem 8-20cm langem kräftigen Stiel. Der artverwandte Pantherpilz unterscheidet sich lediglich durch seine braune Kappe.
3 Vorkommen
Der Fliegenpilz und der Pantherpilz sind in Europa, Asien und Nord-Amerika heimisch.
4 Artverwandte
Artverwandte Pilze sind:
- Amanita pantherina (Pantherpilz)
- Amanita gemmata (narzissengelber Wulstling)
- Amanita regalis (brauner Fliegenpilz)
- Tricholoma muscarium
5 Klassifikation
Beim Pilzgift des Fliegenpilzes handelt es sich um Muscarin, Muscimol sowie Ibotensäure. Der Pilz ist halluzinogen und giftig (Klassifikation Ib-II).
6 Wirkstoffe
Die Pilzarten speichern psychoaktive Substanzen wie Ibotensäure (0,2-1%), Muscimol und geringe Anteile an Muscarin. Ibotensäure wird im Körper zu Muscimol metabolisiert und über den Urin ausgeschieden. Die Farbe der Kappe des Amanita muscaria stammt von Betalainen, Muscaflavin und Muscapurpurin.
7 Wirkung
Muscarin wirkt als Agonist auf den muscarinischen Acetylcholinrezeptor, Muscimol aktiviert den GABA-A-Rezeptor und hemmt motorische Funktionen. Ibotensäure, eine nicht-proteinogene Aminosäure, wirkt als Agonist an glutaminergen Rezeptoren wie dem NMDA-Rezeptor. Das weitere Zerfallsprodukt der Ibotensäure, Muscazon, ist wenig pharmakologisch aktiv.
8 Pharmakologie
8.1 Indikationen
Das Naturheilmittel Fliegenpilz wird traditionell gegen Stimmungsschwankungen verabreicht. Darüber hinaus kommt es bei krampfartigen gastrointestinalen Beschwerden zum Einsatz.
8.2 Applikationsformen
Das Naturheilmittel wird oral, rektal, subkutan, intramuskulär beziehungsweise intravenös in Form von Tabletten, Suppositorien oder als Injektionslösung appliziert.
8.3 Unerwünschte Arzneimittelwirkungen
8.4 Kontraindikationen
- Verschluss der Gallenwege, Cholelithiasis
- Ikterus
- Die Anwendung bei alkoholsüchtigen Patienten ist kontraindiziert.
- Schwangerschaft, Stillzeit aufgrund mangelnder Untersuchungen
- Kinder unter 12 Jahren aufgrund mangelnder Untersuchungen
9 Toxikologie
Die Toxizität des Fliegenpilzes variiert je nach Standort bzw. Herkunft zum Teil sehr stark. Die Verwendung des Fliegenpilzes als Droge ist gefährlich, da seine Inhaltsstoffe unberechenbar schwanken. Muscimol führt zu psychischer Erregung, Benommenheit und geistiger Desorientiertheit. Eine Vergiftung mit Fliegenpilzen kann zum Pantherina-Syndrom führen.
9.1 Vergiftungsymptome
Eine Vergiftung mit Amanita muscaria oder Amanita pantherina gleicht einem Ethanol-Rausch und setzt 30-90 min nach Einahme ein. Ungewöhnliche visuelle Eindrücke, Euphorie, Desorientiertheit und Benommenheit sowie dosisabhängige schwere Halluzinationen begleiten heftige Wutanfälle. Mögliche weitere Symptome sind:
- Depressionen
- Konzentrationsschwäche
- Euphorie
- Delirium
- Hypersalivation
- Schwitzen
- Muskelkrämpfe, Tremor
- Ataxie
- Lähmungen
- epileptische Anfälle
- Tachykardie
- Arrhythmien
- Mydriasis
- trockener Mund
- Störungen des Gastrointestinaltrakts: Übelkeit, Erbrechen, Brechreiz, Diarrhoe, Abdominalschmerzen
Hohe Dosen können zu Koma und Tod führen.
9.2 Nothilfe
Bei starken Vergiftungserscheinungen ist eine sofortige intensivmedizinische Versorgung ist angezeigt. Die Entleerung des Magen-Darm-Trakts, sowie die Gabe von Medizinalkohle und Natriumsulfat kann die weitere Giftresorption stoppen. Weitere Maßnahmen sind Elektrolytsubstitution und Azidosebehandlung unter Gabe von Natriumbicarbonat. Nach Überdosierung ist eine Entgiftung wie bei Pyrrolidin-Alkaloiden angezeigt.
9.3 Giftzentralen in Deutschland
- Berlin: Berliner Betrieb für Zentrale gesundheitliche Aufgaben Beratungsstelle für Vergiftungserscheinungen Tel.: 030-19240
- Göttingen: Giftinformationszentrum-Nord der Länder Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein Tel.: 0551-19240
- Mainz: Klinische Toxikologie und Beratungsstelle bei Vergiftungen der Länder Rheinland-Pfalz und Hessen Tel.: 06131-19240 oder 23 24 66
10 Trivia
Der Fliegenpilz hat seinen Namen daher, dass man insbesondere in osteuropäischen Ländern, Fliegenpilzstücke in gesüßte Milch einlegte und im Freien platzierte. Fliegen und andere Insekten wurden durch die süße Milch angelockt und betäubt.
Der Fliegenpilz war den sibirischen Völkern und Schamanen bereits in früheren Zeiten als Rauschmittel bei spirituellen Zeremonien bekannt. Wegen seiner hohen Toxizität wurde der Fliegenpilz ausschließlich in getrocknetem Zustand konsumiert.